Am 28.07.2016 ist eine Änderung des Telemediengesetzes (TMG) in Kraft getreten. Danach wird die bisher nur für Festnetzbetreiber oder Hoster unter bestimmten Umständen geltende Haftungsbefreiung auch auf Anbieter freier WLANs ausgeweitet. Der neue § 8 Abs. 3 TMG bestimmt nunmehr:
„(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Diensteanbieter nach Absatz 1, die Nutzern einen Internetzugang über ein drahtloses lokales Netzwerk zur Verfügung stellen.“
Das Haftungsprivileg umfasst dabei alle „fremde Informationen“, deren Übermittlung vom Anbieter nicht veranlasst worden ist und er die Adressdaten der übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder gar verändert hat. Somit soll in Zukunft die Einrichtung freier WLANs, die ohne Zugangsbeschränkung von jedermann genutzt werden können, erleichtert werden. Hier liegt Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern noch weit zurück.
Leider schützt das TMG aber nicht ausdrücklich vor einer zivilrechtlichen Inanspruchnahme durch Abmahnungen von Seiten der Rechteinhaber, die beim Download von Musikdateien, Filmen oder Fotos ihr Urheberrecht verletzt sehen. In der Begründung des Gesetzesentwurfs findet sich jedoch ein deutlicher Hinweis hierzu:
„Die Beschränkung der Haftung umfasst horizontal jede Form der Haftung für rechtswidriges Verhalten jeder Art. Das gilt für die straf-, verwaltungs- und zivilrechtliche Haftung sowie für die unmittelbare und mittelbare Haftung für Handlungen Dritter. Die Haftungsprivilegierung des Diensteanbieters nach § 8 Absatz 1 und 2 umfasst z.B. uneingeschränkt auch die verschuldensunabhängige Haftung im Zivilrecht nach der sog. Störerhaftung und steht daher nicht nur einer Verurteilung des Vermittlers zur Zahlung von Schadenersatz, sondern auch seiner Verurteilung zur Tragung der Abmahnkosten und der gerichtlichen Kosten im Zusammenhang mit der von einem Dritten durch die Übermittlung von Informationen begangenen Rechtsverletzung entgegen. Diese Auslegung der unionsrechtlichen Vorgaben hat der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof Maciej Szpunar in seinen Schlussanträgen vom 16. März 2016 in der Rechtssache C-484/14 bekräftigt.“
Im Wortlaut des Gesetzestextes ist diese Auffassung jedoch nicht umgesetzt worden. Trotzdem haben die Gerichte bei der Auslegung von Gesetzesvorschriften auch die Absichten und Ziele des Gesetzgebers in ihre Entscheidungen mit einzubeziehen (teleologische Auslegung). Es bleibt also abzuwarten, ob die Rechtsprechung der Gesetzesbegründung folgen wird.
Jörg Heidrich, Analyse zum "Ende der Störerhaftung": Von wegen Rechtssicherheit! (heise online 1.6.2016)
[Update – 22.09.2016]
Der Europäische Gerichtshof hat am 15.09.2016 eine Vorabentscheidung auf Ersuchen des Landgerichts München erlassen (Rechtssache C-484/14). Hierin hat er bestätigt, dass auch nach europäischem Recht keine Störerhaftung für Betreiber offener WLANs besteht, solange diese nur den Zugang zum Internet bereitstellen, ohne weitere Leistungen anzubieten. Demnach bestünden auch gegen sie keine Ansprüche auf Schadensersatz und Erstattung von Abmahn- und Gerichtskosten, weil der von ihnen bereitgestellte Zugang für Rechtsverletzungen genutzt worden ist.
Jedoch besteht nach Auffassung des Gerichts die Möglichkeit, dass ihm auf Antrag des Geschädigten durch innerstaatliche Gerichte oder Behörden aufgegeben wird, durch Schutzmaßnahmen dafür zu sorgen, solche Rechtsverletzungen künftig zu verhindern. Insoweit können bei einem Verstoß auch Abmahn- und Gerichtskosten geltend gemacht werden.
Meldung von Heise Online vom 15.09.2016
[Update – 27.09.2016]
Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs bindet nationale Gerichte nur im Hinblick auf die Auslegung europäischer Rechtsvorschriften. Sie ist keine Entscheidung in der Sache selbst.
Pressemitteilung Nr. 99/16 des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 15.09.2016